Beschluss der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 3. März 2009
In allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verdienen Frauen
weniger als Männer . Der geschlechterbezogene Einkommensunterschied
beträgt im Durchschnitt 17,4 Prozent. Deutschland liegt mit einer
Entgeltlücke von 23 Prozent im europäischen Vergleich auf einem der
hinteren Plätze. Dabei gibt es ein deutliches Gefälle zwischen West-
(24%) und Ost-Deutschland (6%). Die Verdienstabstände fallen in einzelnen
Wirtschaftsbereichen unterschiedlich hoch aus, und sie werden
mit höherer Ausbildung und mit zunehmendem Alter der Frauen größer.
Es gibt ferner einen deutlichen Unterschied im Lohnabstand zwischen
ländlichen Gebieten (33%) und Großstädten (12%). Jüngere Frauen
holen aber aufgrund ihrer besseren Qualifikation auf – auch hat sich
die gesellschaftliche Realität gewandelt: Frauen sind und wollen häufig
nicht mehr nur „Hinzuverdiener“ sein, sondern den Lebensunterhalt
für sich und ihre Familie mitbestreiten.
Da der Grundsatz der Entgeltgleichheit im deutschen Recht schon lange
verankert ist, sind Lohnunterschiede oft auf versteckte Ursachen
zurückzuführen, die es herauszufiltern und zu bekämpfen gilt. Die
Ursachen sind vielfältig. Sie beginnen bei der Ausbildungs- und
Berufswahl von Frauen und führen über Erwerbsunterbrechungen
während der Familienphase bis hin zu schlechteren Aufstiegschancen
– auch von kinderlosen – Frauen. Im Ergebnis haben die Unterschiede
außerdem negative Auswirkungen auf die Altersvorsorge von Frauen.
Die Bekämpfung der Ursachen der Entgeltungleichheit ist daher eine
zentrale Herausforderung der Gleichstellungspolitik, die nur in präziser
Kenntnis der Ursachen gelingen kann.
Ausbildungs- und Berufswahl
Junge Frauen konzentrieren sich bei ihrer Ausbildungs- und
Berufswahl immer noch auf Berufe, die zum Teil weniger Karriere- und
Aufstiegsmöglichkeiten bieten. So beginnen über die Hälfte der jungen
Frauen eine Ausbildung in einem von nur zehn Berufen, darunter
zum Beispiel Bürokauffrau, Kauffrau im Einzelhandel, Arzthelferin und
Friseurin – allesamt Berufe mit geringen Karrierechancen.
Es ist daher wichtig, Mädchen das breite Spektrum an Berufen - insbesondere technische Berufe - schmackhaft zu machen, aber auf
der anderen Seite auch bei Jungen für Berufe zu werben, bei denen
sie schwach vertreten sind (Erzieher, Grundschullehrer, Alten- und
Krankenpfleger). Dabei soll aber niemand in bestimmte Berufe gedrängt
werden, sondern Interesse an verschiedenen Berufen sowie das
Selbstvertrauen geweckt werden, diese zu erlernen. Die bisher existierenden
Programme wie z.B. Girls‘ Day, Neue Wege für Jungs, Nationaler
Pakt für Frauen in MINT-Berufen (MINT = Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften, Technik) zielen in die richtige Richtung.
Daneben geht es um die Problematik der Unterbewertung von frauendominierten Tätigkeiten in tariflichen und betrieblichen Regelungen
und Praktiken. So werden häufig Tätigkeiten, die hauptsächlich von
Männern ausgeübt werden, anders gewertet als solche, die überwiegend
in Frauenhand sind. Dies gilt zum Beispiel für die körperliche
Beanspruchung auf einer Baustelle oder die Verantwortung für
Mitarbeiter, die stärker gewichtet und somit höher entlohnt werden
als z.B. die körperliche Beanspruchung und die Verantwortung für
Menschen in pflegenden Berufen.
Frauen in Führungspositionen
Frauen erreichen nicht in gleicher Zahl Führungspositionen wie
Männer.
Insgesamt ist festzustellen, dass der Frauenanteil in Führungspositionen
mit der Größe des Unternehmens und auch mit steigender
Hierarchie im Unternehmen abnimmt: Frauen gelingt es eher,
in kleinen und mittleren Unternehmen Führungspositionen einzunehmen.
In Großkonzernen dagegen sind Vorstände und Aufsichtsräte und
selbst die zweite Führungsebene fast ausschließlich männlich.
Es gilt, die Unternehmen mit ins Boot zu holen und ihnen deutlich
zu machen, welche negativen Konsequenzen der demographische
Wandel mit seinem Fachkräftemangel für sie hat - und wie wichtig
es für die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens ist, für Frauen als
Leistungsträgerinnen bessere Bedingungen zu schaffen.
Vereinbarkeit Beruf und Familie
Frauen wird immer noch die Hauptverantwortung für die Familienarbeit
zugeschrieben, den Männern die Zuständigkeit für den Familienunterhalt.
Viele Frauen unterbrechen daher ihre Erwerbstätigkeit für die
Erziehung der Kinder. Nach längeren familienbedingten
Erwerbsunterbrechungen können Frauen jedoch den Einkommensvorsprung ihrer männlichen Kollegen nicht mehr leicht aufholen. In vielen Fällen führt die Entscheidung für eine längere Erwerbsunterbrechung im Nachhinein zu Schwierigkeiten, überhaupt in die Erwerbstätigkeit zurückkehren zu können.
Ohne eine Neuausrichtung der Verantwortlichkeiten in Familie
und Beruf und ohne das Bereitstellen der hierfür erforderlichen
Rahmenbedingungen ist Gleichstellung nicht durchsetzbar. Durch
die Einführung der sog. Vätermonate beim Elterngeld werden die
Familienphasen nicht mehr nur von den Frauen übernommen. Es ist zu
hoffen, dass die stärkere Beteiligung von Männern in Zukunft zu einer
Öffnung der starren Rollenbilder führt.
Trotz aller bisher beschlossenen Maßnahmen bestehen immer noch
Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Viele Mütter
– aber inzwischen auch immer mehr Väter – möchten zumindest für
einen gewissen Zeitraum ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder flexible
Arbeitszeitmodelle in Anspruch nehmen. Doch gerade Teilzeitarbeit
genießt in der Regel ein geringeres Ansehen als eine Vollzeittätigkeit.
In Gehaltsverhandlungen spielt deshalb für Frauen häufig nicht
die Bezahlung eine Rolle, sondern sie verhandeln ein Paket, in dem die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiger Faktor ist.
Wiedereinstieg
Die Verbesserung der Wiedereinstiegschancen von Frauen ist einzentraler
Baustein zur Überwindung der fortbestehenden Entgeltungleichheit
zwischen Frauen und Männern. Eine Erleichterung
des beruflichen Wiedereinstiegs ist auch für die Unternehmen von
Interesse: Mit maßgeschneiderten Lösungen zum Beispiel durch
Urlaubsvertretungen und Teilzeitarbeit bricht der Kontakt zum Arbeitgeber
nicht ab und fachliche Kompetenzen bleiben erhalten. Mit dem
Programm „Perspektive Wiedereinstieg“ des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend soll der Wiedereinstieg qualifiziert gestaltet werden, so dass die verbleibenden 20 bis 30 Jahre
bis zur Altersgrenze auch mit wirklichen beruflichen Aufstiegschancen
verbunden sind.
Die CDU/CSU-Fraktion hält daher folgende Maßnahmen
für erforderlich:
1.Um das Berufswahlverhalten von Mädchen und jungen Frauen zu erweitern,
sollte schon in der frühkindlichen Erziehung und fortlaufend
in der schulischen Bildung das Interesse zu Naturwissenschaft
und Technik geweckt und Stereotypen in Ausbildung, Studium
und Beruf abgebaut werden. In diesem Zusammenhang ist zu
prüfen, inwieweit stellenweise geschlechtergetrennter Unterricht
zumehr Selbstvertrauen von Mädchen führen kann. Ferner soll
auf die Länder hingewirkt werden, sich bei den Hochschulen für
die Errichtung neuer Studiengänge einzusetzen, die naturwissenschaftliche
und technische Ausbildungsgänge mit kommunikativen
und/oder sprachwissenschaftlichen Fachbereichen sinnvoll
kombinieren.
2.Es ist auf die Tarifparteien hinzuwirken, die Bewertung von gesellschaftlich
wichtigen Tätigkeiten im sozialen Sektor – meist frauendominierte
Branchen – (z.B. Erzieher, Lehrer, Kranken- und Altenpfleger
oder Berufe im Dienstleistungssektor) zu überprüfen und
evtl. aufzuwerten, so dass sie für Frauen, gerade aber auch für
Männer attraktiver werden.
3.Ferner gilt es, das Ansehen von Teilzeittätigkeit zu erhöhen und
mehr Modelle für Führungsfunktionen zu schaffen.
4.Die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den
Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft zur Förderung
der Chancengleichheit aus dem Jahr 2001 ist konsequent weiter
umzusetzen und fortzuentwickeln z.B. mit unternehmensinternen
Zielvorgaben zur Förderung von Frauen, der Anrechnung
von in der Familienphase erworbenen Sozialkompetenzen, einem
Aufbrechen der Präsenzkultur, transparenteren Gehaltsstrukturen,
Mentoring-Programmen und Best Practice-Beispielen. Auch ist die
Einführung eines freiwilligen Lohntests zu prüfen, wie er bereits in
der Schweiz existiert (LOGIB), um mehr Transparenz zu schaffen.
5.Um die Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern, ist darauf hinzuwirken, die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance
Kodex so zu ergänzen, dass eine höhere Repräsentanz von Frauen
im Aufsichtsrat und auch im Vorstand gewährleistet ist. Dieses
ist in geeigneter Form transparent zu machen, insbesondere auch
dadurch, dass bei bestehenden Berichtspflichten – z.B. nach
dem Handelsgesetzbuch – diese Berichte ergänzt werden um
den Frauenanteil in Führungspositionen und um Maßnahmen zur
Frauenförderung.
6.Bei den existierenden Berichtspflichten der Bundesbehörden zu
Gleichstellungaspekten müssen klare Indikatoren eingeführt werden,
z.B. der Anteil von Frauen und Müttern bzw. Männer und
Väter in Leitungsfunktionen, differenziert nach Leitungsebenen,
damit diese Berichte besser ausgewertet werden können.
7.Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll bei den
Unternehmen dafür geworben werden, Familienfreundlichkeit
noch mehr als Wirtschaftsfaktor zu sehen und Maßnahmen zur
besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Programme zum
beruflichen Wiedereinstieg, betriebliche Kinderbetreuung, flexible
Arbeitszeitmodelle, Telearbeit) einzuführen.
8.Um Familien bei einer gewünschten Neuausrichtung der Verantwortlichkeit von Familie und Beruf zu unterstützen, sind die Partnermonate des Elterngeldes durch eine Verlängerung weiter auszubauen.
Des Weiteren wird die Umsetzung des beschlossenen Ausbaus
von Kinderbetreuungsplätzen mit Nachdruck vorangetrieben.
9.Die Information über zielführende Weiterbildungsmaßnahmen
und die Finanzierung für Mütter und Väter während familienbedingter
Erwerbsunterbrechungen soll verbessert werden. Der unmittelbare
berufliche Wiedereinstieg von Müttern und Vätern nach einer längeren familienbedingten Erwerbsunterbrechung soll entsprechend der Nachfrage mit Hilfe von Umschulungen durch die Bundesagentur für Arbeit verstärkt gefördert werden.
Zur Erleichterung des Wiedereinstiegs nach einer längeren
Familienphase sind starre Altersgrenzen aufzuheben, z.B. bei einer
Verbeamtung.
10.Zur Entlastung der Familien im Haushalt sind die gegenwärtigen
Rahmenbedingungen für Privathaushalte bei der Inanspruchnahme
haushaltsnaher Dienstleistungen so auszubauen, dass Privathaushalte
wie Unternehmen behandelt werden, um mehr sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen.
Herausgeber: CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Dr. Norbert Röttgen MdB
Hartmut Koschyk MdB
11011 Berlin
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