Bezirksdelegiertentag
Frauen Union Südbaden fordert Ende des Menschenhandels und der Prostitution
Frauen Union Südbaden fordert Ende des Menschenhandels und der Prostitution
Die Frauen Union Südbaden hat auf ihrem jüngsten Bezirksdelegiertentag in Titisee-Neustadt wesentliche Änderungen des aktuellen Prostituiertenschutzgesetzes gefordert. Die zentralen Forderungen lauten: Anhebung des Mindestalters für Prostituierte auf 21 Jahre, polizeiliche An- und Abmeldungen am Ort des Tätigwerdens, um innerdeutschen Menschenhandel zu verhindern, höhere Strafen für diejenigen, die Frauen zur Prostitution zwingen, sie verkaufen beziehungsweise versklaven oder Gewalt anwenden und die Überprüfung des bisherigen Gesetzes auf die Vereinbarkeit mit der Würde des Menschen (Art. 1 GG) und das Gleichheitsgebot (Art. 3 GG).
Unter dem Titel „Zuhälterparadies Deutschland – Gibt es bei uns Menschenhandel?“ hat die Bezirksvorsitzende der Frauen Union Südbaden, Helga Gund, zum Delegiertentag eingeladen. „In Deutschland werden 14,5 Milliarden Euro jährlich mit der Prostitution umgesetzt, mehr als 400.000 Prostituierte -und das ist eine Zahl aus den 1980er Jahren - gibt es, und täglich gehen 1,2 Millionen Männer in Deutschland in ein Bordell“, eröffnete Helga Gund den Tag. „Wir müssen etwas tun, dass das ein Ende hat“, sagt Gund. Das Engagement der Frauen Union wird unterstützt von Kriminalkommissar a.D. und Buchautor, Manfred Paulus, der die Frauen mit schockierenden Berichten aus der organisierten Kriminalität konfrontierte.
Der Kriminalkommissar im Ruhestand setzte sich mit Menschenhandel und Prostitution schon in seiner Zeit als Kommissar in Ulm auseinander. Er macht deutlich „Keine Frau kommt freiwillig“. Über drei Phasen werden die Frauen, zumeist aus osteuropäischen Ländern, nach Deutschland gebracht. In der ersten Phase, der Anwerbung, wird die Sehnsucht der Mädchen nach dem Westen, schamlos ausgenutzt. 16 bis 18-jährige Mädchen erhalten Jobangebote in Deutschland. Ihnen wird erzählt, sie arbeiten in der Gastronomie, als Tänzerinnen oder Sängerinnen. Wenn die Mädchen Vertrauen gefasst haben, beginnt die Phase der Schleusung. Hier werden unter irgendwelchen Vorwänden, die Ausweispapiere abgenommen, teilweise auch Handys eingezogen. Auf ihrem Weg nach Deutschland werden die Mädchen teilweise wie Vieh angeboten. Paulus erzählt erschütternde Szenen aus Turnhallen in Bosnien-Herzegowina, wo Mädchen sich nackt ausziehen und sich so den Zuhältern präsentieren mussten. Der Preis eines Mädchens wird dann je nach Oberweite, Figur, Gebiss und weiteren Merkmalen festgelegt. „Wir sind in den letzten 2000 Jahren nicht so viel weitergekommen“, sagt Paulus in Anspielung auf die Sklavenmärkte im römischen Reich. Die dritte Phase beginnt dann in Deutschland mit der Ausbeutung. „Die Mädchen kommen nie in unserem Deutschland an“, sagt Paulus. Sie leben in einer kriminellen Parallelgesellschaft mit eigenen Gesetzen und sind völlig isoliert. Für die organisierte Kriminalität sind die Frauen im Vergleich zum Waffenhandel lukrative Ware, weil sie nach dem sie verkauft wurden, noch einige Jahre ausbeutbar sind.
Das Prostituiertenschutzgesetz, das 2002 von der damaligen rot-grünen Regierung beschlossen wurde, hielt er von Anfang an für nicht richtig. „Deutschland ist der Puff Europas geworden“, zieht Paulus bittere Bilanz.
Wer von Freiwilligkeit ausgehe, wie das im Prostituiertenschutzgesetz von 2002 der Fall ist, der sei scheinheilig und naiv, führt er aus. Man könne nicht ignorieren, dass die Prostituierten meist ganz junge, ausländische Mädchen seien und wer wolle, soll sich bei den Nichtregierungsorganisationen, die auf dem Balkan und in Osteuropa tätig sind, über deren Erkenntnisse informieren. Auch die Änderung des Gesetzes aus dem Jahr 2017 brachte in Paulus’ Augen keine wesentlichen Verbesserungen. Er begrüßt daher den Vorstoß der Frauen Union Südbaden. „Es ist mutig, dass sich dieses Themas annehmen und hoffentlich geht von hier ein Impuls aus“.
Auch die Psychologin Anke Precht unterstützt die Frauen Union Südbaden in dieser Frage. Precht arbeitet mit ehemaligen Prostituierten zusammen und schildert eindrücklich die Spätfolgen dieser Tätigkeit: Depression, Sucht, Emotionslosigkeit und eine höhere Selbstmordrate. Sie räumt ein, es gebe Frauen, die sich freiwillig prostituieren, der Anteil liege aber bei unter 10 Prozent, sagt die Psychologin. Und auch die Freiwilligen sind oft psychisch geschädigt. Precht hat einen Wandel in der Gesellschaft gegenüber der Prostitution beobachtet. Heutzutage gehe eine Fußballmannschaft oder ein Junggesellenabschied schon einmal in ein Bordell. Die Praktiken, die von den Freiern gefordert werden, seien härter geworden, schildert Precht die Erfahrungen aus ihrer Arbeit mit Aussteigerinnen. Aus Krankenhäusern weiß sie, dass Frauen mit schwersten Verletzungen im Genitalbereich eingeliefert werden, und kurze Zeit später von ihren Zuhältern wieder „zur Arbeit“ gebracht werden.
Der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) hat es sich nicht nehmen lassen, zum Delegiertentag zu kommen. Auch er will die Frauen Union Südbaden unterstützen: „Es muss uns gelingen, dies zu einem Thema für alle zu machen“, sagt der Minister. Der Rechtsstaat ist in puncto organisierter Kriminalität und Menschenhandel gefragt. „Moderne Strafverfolgung und tatkräftiger Opferschutz müssen sich ergänzen.“
Miriam Kammerer 10.6.2018
Interview mit Anke Precht im Schwazwälderboten zum Thema: Die Freier weren immer brutaler. lesen